11.11.2016, 12:41 Meldungen Erstellt von GEW Stadtverband München
Gegen Gesinnungsschnüffelei!
Sofortige Einstellung des Münchner Doktoranden Kerem Schamberger!
An der Ludwig-Maximilians-Universität in München blockiert der sogenannte Verfassungsschutz die Vergabe einer Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an Kerem Schamberger. Grund: Er hat das falsche Parteibuch: Der junge Kollege ist in der DKP aktiv.
Der 30-jährige Kollege Schamberger soll am Institut für Kommunikationswissenschaft der LMU eine halbe Stelle erhalten. Neben seiner Doktorarbeit sollte er lehren und Abschlussarbeiten von Studierenden betreuen. Am 1. Oktober 2016 hätte er damit beginnen sollen. Das verdi-Mitglied Schamberger ist vielfach interessiert und engagiert: In einer Stadtteil-Mieterinitiative und in der „Roten Hilfe“. Er setzt sich für kurdische Verfolgte und für andere Geflüchtete ein. Wegen der Berichterstattung auf seinem Blog war er Angriffen türkischer Nationalisten ausgesetzt. Soll er nun wegen seines Engagements für die Benachteiligten in unserer Gesellschaft bestraft werden? Zur Erinnerung: Nach der offiziellen Abschaffung des „Radikalenerlasses“ in fast allen Bundesländern hatte der Freistaat als letztes Bundesland im Jahre 1991 die Abschaffung der sog. „Regelanfrage“ beschlossen. Dennoch müssen auch heute noch Anwärter auf Stellen im bayrischen öffentlichen Dienst einen „Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue“ ausfüllen. Sie müssen angeben, in welchen politischen Organisationen sie aktiv sind oder waren. Über ein Vierteljahr „prüfte“ der Verfassungsschutz nun schon diese ehrlichen Angaben des Kollegen. Deshalb kann er die Stelle noch nicht antreten. Seit zwei Wochen liegt der LMU der „Prüfbericht“ vor. Getan hat sich nichts. Kerems zukünftiger Doktorvater, Professor Michael Meyen, steht vollauf hinter seinem Studierenden. Er schätzt ihn seit langem sehr und möchte ihn gerne an seinem Lehrstuhl haben. Der Verfassungsschutz jedoch schränkt die Freiheit der Wissenschaft ein und verzögert den Lehrbetrieb. Es ist beschämend, dass die Universität nicht unabhängig, je nach Qualifikation, entscheiden darf. Es ist nicht zu akzeptieren, dass sich der Verfassungsschutz zur Instanz aufschwingt, die über die Einstellung von Wissenschaftlern den Daumen hebt oder senkt. Kerem Schamberger erfüllt die fachlichen Voraussetzungen hervorragend und kann zu Recht darauf hoffen, eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen zu können. Wir gehen davon aus, dass die Universitätsgremien der LMU diesen unwürdigen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit und eine solche staatliche Bevormundung nicht akzeptieren werden, ganz abgesehen von einer Einschränkung der Freiheit der Berufswahl für den Betroffenen. In ihrer Resolution anlässlich des 40. Jahrestages des „Radikalenerlasses“ am 16. März 2012 in Göttingen hatte die GEW u.a. beschlossen: „Die GEW bewertet den "Radikalenerlass" und die darauf beruhende Politik der Berufsverbote als eine politische und rechtsstaatlich falsche Entscheidung, die eine verhängnisvolle gesellschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt hat. Die Politik der Berufsverbote richtete sich gegen gesellschaftliche Alternativen zum kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem und versuchte, diese zu kriminalisieren. Die Politik der Berufsverbote führte zu einer Gesinnungsschnüffelei, die Millionen Menschen betraf und verbreitete ein Klima der politischen Einschüchterung. Die Politik der Berufsverbote war und ist verfassungswidrig.“
München, 07.11.2016
i.A. Siri Schultze Geschäftsführerin GEW Stadtverband München
Die Solidaritätserklärung wurde beschlossen durch die Mitgliederversammlung der GEW Stadtverband München am 07.11.2016 und wird unterstützt von der GEW Bezirksverband Oberfranken.